Der Mann
Versuche
Versuch 1
Ich möchte ein Gedicht schreiben über die Liebe,
aber ich kann es nicht,
weil ich wieder die Zeitung gelesen habe.
Ich möchte ein Gedicht schreiben über die Leidenschaft,
aber ich kann es nicht, denn ich denke
über die Nachrichten des Radios nach.
Ich möchte ein Gedicht schreiben über den Frieden,
aber ich kann es nicht, denn ich hab noch
die Bilder einer Nachrichtensendung des Fernsehens im Kopf.
Ich möchte ein Gedicht schreiben über die Hoffnung,
aber ich kann es nicht, weil mir manchmal
alles so hoffnungslos erscheint.
Ich möchte ein Gedicht schreiben über die Natur,
aber ich kann es nicht, denn es ist mir wiedermal schlecht geworden,
nachdem ich irgendwo Wasser getrunken habe.
Versuch 2
Das schlimmste im Leben ist, wenn man sich zu
einem ausgewachsenen Fatalisten entwickelt,
sage ich mir.
Ich sage mir auch,
das Spiel der Mächtigen ist nur ein Spiel
und es liegt an mir, ob ich da mitmachen will.
Dann denke ich, der Manipulationsapparat ist multinational.
Manchmal glaube ich an nichts mehr,
sogar nicht mehr an mich.
Aber das sind wirklich nur kurze Momente.
Versuch 3
Nieder mit den depressiven Schüben.
Lachen wir gemeinsam über das Theater,
in dem wir nur Statisten sind.
Wir legen die Kostüme ab und packen sie
fest verschnürt mit Taue und werfen sie zum
Müll der Geschichte.
Wir klopfen vielen auf die Schulter,
dabei ist keiner erschrocken.
Wir sagen jeden, der´s nicht hören will,
wir haben wieder Hoffnung.
Die Liebe ist überhaupt das Größte
werden zwei Menschen sagen,
dabei verschwinden sie kichernd in einem Schatten.
Die Militärs sind über den allgemeinen Friedenswillen
zu Tode erschrocken.
Dann die allgemeine Zärtlichkeit,
wie sie die Gesichter erhellt,
dabei macht sich die Hoffnung noch mehr Hoffnung.
ⓒ W.Sünkenberg